Der Eternaut – Eine Wucht von argentinischem Comic

Der Zufall stieß mich im Dezember auf den mir bis dahin unbekannten argentinischen Comic-Szenaristen und Journalisten Héctor Germán Oesterheld. Und was für ein sensationelles Werk hat dieser unter tragischen Umständen in der Militärdiktatur „verschwundene“ Aktivist da hinterlassen.

Argentinische Nationalbilbiothek in Buenos Aires

Beim Erkunden von Buenos Aires kam ich an der Argentinischen Nationalbibliothek vorbei, ein Meisterwerk des Brutalismus, und beim Fotografieren stolperte ich über das dahinter gelegene Comicmuseum, das mit einer Ausstellung dem Schaffen Oesterhelds gedachte. So klein das Museum war, so traditionell die Ausstellung, desto interessanter waren die Exponate und wurde mein Interesse an der Person.

Seine ausgestellten Arbeiten waren jedenfalls so spannend, dass ich mir nach meiner Rückkehr sofort sein bekanntestes, 350-seitige Science-Fiction-Werk „Der Eternaut“ besorgte, dessen Text und Geschichte von Oesterheld stammt und von Francisco Solano López meisterhaft umgesetzt worden war.

Es wurde zuerst 1957 in der Zeitschrift Hora Cero Semanal zwischen 1957und 1959 veröffentlicht und beginnt mit dem Helden Juan Salvo, der sich mit seinen Freunden in seinem Häuschen in einem Vorort von Buenos Aires zum regelmäßigen Kartenabend zusammen gefunden hat. Schneefall setzt ein – für Buenos Aires äußerst ungewöhnlich – und die Freunde müssen erkennen, dass es kein gewöhnlicher Schnee ist. Hautkontakt mit den Flocken führt zum sofortigen Tod des Opfers. Dank des wegen der herrschenden Kälte vollständig abgedichteten Hauses überleben die Freunde und beginnen ihre Überlebenskampf und versuchen die Hintergründe des Schneefalls zu ermitteln. Dabei hilft ihnen ihre technisches Interesse, und sie verstehen, dass es sich nicht um radioaktiven Fallout von den damals gängigen Atombombenversuchen der Amerikaner handelt.

Sie müssen erkennen, dass es sich um eine weltweite außerirdische Invasion handelt und sie in kurzer Zeit mit anderen Überlebenden in Abwehrschlachten mit den Invasoren verwickelt werden. Die Parallelen zur aktuell auf der ganzen Welt grassierenden Coronavirus-Pandemie sind dabei nicht zu übersehen und geben die Story eine Unmittelbarkeit, die verblüffend ist.

Die Geschichte zieht von Anfang an in den Bann und hat eine Intensität, die Herzrasen verursacht. Das vom Zeichner in schwarz-weiß gehaltene Erzählformat bringt die Gefahr, die zwischen Hoffnungslosigkeit und Hoffnung schwankende Stimmung und das Grauen der eingesetzten Mittel gekonnt rüber.

Die Geschichte endet zwar nicht gut, lässt aber den Schluss offen. Tatsächlich arbeiteten Oesterheld, López und andere an mehreren Fortsetzungen. Die Bedeutung von Der Eternaut in der argentinischen und südamerikanischen Psyche ist schon wie bei der anderen großen argentinischen Comicserie Mafalda nicht zu unterschätzen. Mit der zunehmenden Macht der Militärs wurde der Comic und Oesterheld gegenüber dem Regime immer kritischer.

Während López sich bereits frühzeitig nach Frankreich ins Exil absetzte, tat das Oesterheld nicht. Er und seine vier Töchter, zwei davon zu dem Zeitpunkt schwanger, wurden ab 1976 verhaftet und „verschwunden“. Seine Frau und seine Mutter zählten zu den ersten Mitgliedern der Madres de Plaza de Mayo, die regelmäßig aufmarschierten und demonstrierten, um Hinweise auf die geschätzten 30.000 während der Militärdiktatur verschwundenen Menschen zu erhalten.

Der Eternaut ist bislang nicht auf Deutsch erschienen, selbst die mir vorliegende englische Ausgabe erschien erst 2015 zum ersten Mal in dieser Sprache. Trotz des Preises von fast 50 US Dollar ist Der Eternaut uneingeschränkt zu empfehlen – und vielleicht gibt es auch mal eine deutschsprachige Ausgabe.

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