Mafalda in Buenos Aires

In meiner Jugend fielen mir ein paar Mal Comicstrips mit einer kleinen Heldin namens Mafalda in die Hände. Damals war mir die Bedeutung dieses altklugen Mädchens nicht wirklich bewusst, sie war für mich nicht mehr als die Heldin eines Comicstrips wie Charlie Brown in den Peanuts gewesen. Später lernte ich von einem argentinischen Freund wie bekannt und beliebt Mafalda dort wäre. Doch erst ein Urlaub in Buenos Aires und eine Analyse zu Mafalda in Form einer politischen und sozialgeschichtlichen Untersuchung brachten mir den Comicstrip und dessen Bedeutung für Lateinamerika näher.

Flaniert man in Buenos Aires durch die Straßen, kann man die Menge an Mafalda-Zeichnungen in der Stadt nicht übersehen. Auf einem kleinen Plätzchen zwischen den Straßen Defensa und Chile findet sich zu jeder Tageszeit eine Schlange von Menschen, die geduldig darauf wartet, ein Foto mit Mafalda und ihren Freunden machen zu können.

Die Schlange vor der Mafalda-Statue

Die Statue befindet sich gegenüber des Hauses, in dem der Zeichner und Erfinder von Mafalda und ihren Freunden Joaquín Salvador Lavado Tejón, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Quino, lebte. Seit der Aufstellung der Statue hat sich dieses Gebiet des Stadtteils San Telma zu einem Touristenspot entwickelt. Jedes Wochenende findet entlang der Defensa ein Künstlermarkt statt.

Entstanden ist die Idee zu Mafalda 1962 als eigenständiger Comicstrip, der Anlehnungen von den US-amerikanischen Peanuts und Blondie nehmen sollte. Von Anfang an stellte sich Mafalda aber als völlig anders dar, als ihre Vorbilder. Das vierjährige Mädchen aus der argentinischen Mittelklasse treibt durch ihre Fragen und ihren aufmüpfigen Charakter ihre Eltern zur Verzweiflung.

Der Vater, der tagsüber einem Bürojob in Buenos Aires nachgeht, und ihre Mutter, die sich um den Haushalt kümmert, stellen die erste Elterngeneration nach dem Ende des zweiten Weltkriegs dar, die ihre Kinder anti-autoritär erzieht – und damit alle Hände voll zu tun hat.

Zu Mafaldas Freunden zählen Felipe, ein Mittelklassekind wie sie Manuelito, dessen Vater als Einwanderer einen kleinen Laden betreibt und der davon träumt selberr mal eine Supermarktkette zu betreiben, und Susanita, die der traditionellen Rolle von Frauen als Ehefrau und Mutter nacheifert. Erst später bekommt Mafalda mit Guille ein Brüderchen. Erwachsene werden im Strip als Charaktere dargestellt, die der altklugen Mafalda aufgrund ihrer scharfen Logik nicht wirklich etwas entgegenzusetzen haben und deren Widersprüche aufgezeigt bekommen.

Wie Isabella Cosse in ihrer Studie Mafalda – Eine soziale und politische Geschichte von Lateinamerikas globalen Comic (auf Spanisch und Englisch erschienen) feststellt, entwickelte sich Mafalda parallel zur politischen und sozialen Entwicklung Argentiniens als Stimme für Demokratie und Freiheit.

Mafaldas Abneigung zu Suppe wird zum Synonym für Abneigung gegen Diktatur und Unterdrückung. Mit den Studentenunruhen Ende der 1960er Jahre und dem Terror der faschistischen Regime in Argentinien, Chile und Spanien, steigt die Popularität Mafaldas auch außerhalb der eigentlich gedachten Zielgruppe – der Buenos Aires Mittelklasse – immens.

Selbst heute, fast 60 Jahre nach dem Entstehen des Comicstrips, haben Mafalda und ihre Freunde nichts von ihrer Beliebtheit eingebüßt, und das, obwohl der letzte Mafalda-Comicstrip Mitte der 1970er Jahre erschienen war. Quino hat dem Strip eingestellt, weil sich die Welt geändert hatte und damit der Hintergrund von Mafalda nicht mehr zeitgemäß gewesen war. Das tut der Popularität der Figur keinen Abbruch, wie man anhand der Schlangen vor der Mafalda-Stature und der Omnipräsenz von Mafalda-Zeichnungen und Souvenirs erkennen kann.

Für deutschsprachige Comicstrip-Liebhaber ist es allerdings ziemlich schwierog, Mafalda-Ausgaben zu erhaschen. Auf Amazon.de sind nur ein paar gebrauchte und alte Ausgaben zu bekommen, und selbst wenn, dann manchmal recht teuer.

Mafalda wurde auch mehrmals als Animationsfilm gezeichnet, vor allem aber der letzte setzte eine Serie von sprachlos funktionierenden Comicstrips aus der Serie unter Quinos Leitung um, die man im Internet finden kann.

Die Mafalda-Stature ist zugleich auch der Beginn einer Meile an Comicstatuen, auf der sich mehr als ein Dutzend argentinische Comichelden versammeln. So wie hier Isidoro Cañones, der als Lebemann seit 1935 die Comicwelt bevölkert.

Eine genaueren Überblick zum Paseo de la Historieta (Comicstrip-Meile) gibt es auf der offiziellen Website der Stadt Buenos Aires.

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