Wie Legosets Kreativität töten

Als Kind wünschte ich mir immer eine Lego-Eisenbahn, die elektrisch angetrieben fahren kann. Der Traum blieb unerfüllt, dafür bekam ich eine Modelleisenbahn (Arnold N für die Fachleute unter Euch), die ich bis heute habe und die mittlerweile in einer Vitrine steht und das Wohnzimmer ziert.

Lego hatte ich so wie wohl jedes Kind aber sehr doch. Eine alte Omo-Waschmitteltonne – damals gab es Waschmittel noch in großen Kartonzylindern – diente zur Aufbewahrung der Steine, von denen wir meiner Meinung nach viel zu wenige hatten. Was meine Geschwister und ich jedoch hatten waren Standardbausteine, die heute in etwa denen entsprechen, die unter dem Titel Classic Lego verkauft werden.

Standard Lego

Zu den Dingen die ich immer wieder damit baute waren einmal ein Geldspeicher so à la Dagobert Duck, in denen ich dann meine kargen Groschen und Schillingmünzen einwarf, und der nur solange hielt, bis ich ihn mit kleinen Metallkugeln aus der Playmobilkanone bombardiert und geknackt hatte. Das zweite Objekt war ein Raumschiff nach meinem eigenen Design, aus dem zwei Miniraumschiffe aus zwei seitlichen Flügeln starten konnten, und das auch mit eingebauten Gummiringen längliche Steine verschießen konnte. Bis das Gummiband riss.

Auch solche Dachsteine hatten wir

Auch damals gab es schon vereinzelt Legosets mit Motive, aber die waren viel zu teuer für uns. Es blieb beim Standard-Lego.

Legosets

Mehr als dreißig Jahre später wollte ich so ein klassisches Set als Geburtstagsgeschenk kaufen und es war beinahe unmöglich, eines zu finden. In den Spielwarengeschäften und den Lego-Stores dominierten Legosets zu Star Wars, Harry Potter, Lego City, Bionicle, Lego Girls und dergleichen.

Auf den ersten Blick ist das ja cool. Für ganz Kleine bis für Erwachsene gibt es Legosets, die je nach Altersstufe in ihrer Komplexität und Funktionalität zunehmen. Lego Technik hat von Zahnrädern bis zu Kurbelwellen alles was das Herz begehrt.

Beim ersten Zusammenbauen, bei dem man einzelnen Päckchen mit den Steinen auspackt und vor sich ausstreut, folgt man dann dutzenden Seiten an Anleitungen, um das Set in der richtigen Folge zusammenzusetzen. Dabei ist man je nach Set gut und gerne mindestens eine halbe Stunde oder sogar einen ganzen Tag lag beschäftigt.

Anleitung für Legoset

Klar ist man nachher stolz auf seine Schöpfung. Aber die eigene Schöpfung ist es nicht wirklich. Man hat einfach nur einer Anleitung gefolgt und meistens lässt man es dabei. Nur wenige der Sets werden dann wieder zerlegt und neu aufgebaut. Und noch seltener als eigenes Design.

Kreativität

Und hier ist das Problem. Solche Legosets mögen zwar das Folgen einer Anleitung und räumliches Denken lehren, aber nicht den kreativen Prozess, sich ein eigenes Design auszudenken und aus einer Sammlung von diversen Bausteinen den richtigen zu finden, oder vielleicht in Ermangelung des richtigen einen Ersatzbaustein zu finden und ein alternatives oder vielleicht sogar ein besseres Design zu erhalten.

Tatsächlich war das Befolgen einer Anleitung ab dem Beginn der industriellen Revolution eine gewünschte Fähigkeit. Eine Maschine zu bedienen oder ein Gewehr beim Militär zerlegen und bedienen musste aus Anleitungen vermittelt werden. Dazu musste man lesen und schreiben können. Die Lehrpläne waren auch so ausgerichtet, wobei auch viel mit Auswendiglernen zu tun hatte.

Ohne nachzudenken Vorschriften befolgen hat Nachteile. Der Hausverstand wird oft nicht eingesetzt und man folgt stur dem Protokoll, auch dort wo es keinen Sinn macht. Erprobten Anleitungen zu folgen funktioniert in stabilen Umfeldern, wo sich die Vorgehensweisen nicht ändern. Sobald diese Sicherheit nicht mehr vorgegeben ist, versagen sie.

Kindern wird vermittelt, dass nur das Design aus der Anleitung das Richtige ist, aber ihr eigenes minderwertig. Sie werden dazu erzogen ihr eigens Gehirn auszuschalten und nicht von der Norm abzuweichen. So wird bereits in früher Phase ihre Kreativität abgetötet.

Wir wissen aber, dass unsere Kinder nicht mehr Jahrzehnte im selben Beruf sein werden, sondern alle paar Jahre ein völlig neues Jobprofil haben werden. Das benötigt Flexibilität und kreative Fähigkeiten. Anstelle Anleitungen befolgen zu können, müssen sie neue und kurzlebige erstellen können. Legosets trainieren uns auf das sture Befolgen von Vorschriften. Die kann man nachvollziehen, ohne groß mitdenken zu müssen.

Kreativer Umgang mit Legosets

Nun möchte ich nicht eine Speerspitze gegen Legosets vorbringen, sondern unseren Umgang mit ihnen. Meine Empfehlung ist, nach der einmaligen Zusammensetzung eines Legosets mit Kindern und Jugendlichen dieses nach einigen Tagen vollständig zu zerlegen und die Bausteine unter alle anderen Legosteine mischen. Von diesen riesigen Set an Bausteinen können die zukünftigen Kreativen ihre eigenen Designs schaffen und darauf stolz sein.

Es mag einigen Pedanten unter uns weh tun – und dazu zähle ich mich auch – aber wahre Kreativität beginnt mit der eigenen Vorstellungskraft und einem eigenen Problem und nicht dem aus einer Anleitung.

Wer spielt, lernt: Wie Kinder die Herausforderungen im 21. Jahrhundert meistern.

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